Schließen-Knopf

Wie ich über Musik zum Design zum Storytelling kam

19.12.2022

Sie kennen meine Passion für empathisches Branding und markantes, funktionales Webdesign. Da werde ich nicht müde, darüber zu referieren. Es gibt aber noch eine andere Leidenschaft, die in mir brennt – und über die ich gerne erzähle.

Bild


Der erste Funkenflug

Seit meiner Kindheit, begleitet mich die Liebe zur Musik. Genauer: Musik zu entdecken, sie zu genießen und etwas Neues aus diversen Stücken zu erschaffen. Doch ich greife vor – fangen wir damit an, wie der Funke übersprang.

Meine erste Berührung mit einem Musikstück, das ich unbedingt wieder hören wollte, hatte ich Ende der 80er, als ich etwa 9 Jahre alt war:
Im Nachmittagsfernsehen sah ich eine Familienkomödie aus den 70ern – es muss also an einem Wochenende gewesen sein, da ich etwas länger fernsehen durfte. Da lief beim Abspann jener Song, der zum ersten Mal das Bedürfnis in mir weckte, ein Lied wieder und wieder hören zu wollen. Zu müssen! Der Matteo aus der Zukunft hätte geistesgegenwärtig seine »Shazam«-App gezückt, doch von Smartphones und Musikerkennungssoftware waren wir noch einige Zeit entfernt.

Die Nadel im Plattenhaufen

Dieses gesuchte Lied hallte in mir so sehr nach, dass ich mich damals sofort vor meine Familie stellte und vorsang. So würde man mir gewiss sagen können, wie dieser Song heisst. Doch meine gesanglichen Qualitäten waren wohl noch ausbaufähig – denn auch in der Schulklasse und im Plattenladen erhielt ich keine Resonanz. Also machte ich mich (heimlich) an die Schallplatten meines Vaters. Ich durchforstete sie alle – Scheibe für Scheibe, A-Seite für B-Seite – konnte es aber nicht aufspüren.

Da war also ein Lied, das offenbar niemand zu kennen schien – noch. Denn fünf Jahre später würde sich eine Dame der internationalen Charts an diesem Lied zu schaffen machen. Und bis heute bringt ihre Version, in sicher jeder Karaoke-Bar dieser Welt, alle Stimmbänder und – vor allem! – Ohren an ihre Grenzen.
Doch ich sollte meinen sehnsüchtig gesuchten Song bald auf einem anderen Weg finden. Mit einer aufwendigen aber erfolgreichen Methode: das Radio rauf und runter zu hören.

Klick, Sssssip, Klack

Zunächst stellte ich ernüchtert fest, dass die Leute im Radio laufend Erwachsenenkram diskutierten und das Gedudel sich anstrengender anhörte als das, was ich suchte. Dann stieß ich auf das dienstägliche Wunsch-Programm des örtlichen Radiosenders. Die Musik hier war wärmer, natürlicher, vertrauter und ich witterte meine Chance: bestimmt würde sich jemand irgendwann dieses eine Lied wünschen – oder? Auf einem Radiokassettenrekorder ließ ich mir zeigen, wie ich mit Kassette aufnehme und legte los: Ich nahm jedes (!) Stück auf, in der Hoffnung, dass ich endlich diesen Song erwische. Bei jedem Liedanfang drückte ich auf Record, hörte zu und spulte enttäuscht zurück zum Anfang – tagelang. Bis ich den Reiz des ein oder anderen Liedes entdeckte. So erblühte mein noch sehr begrenzter Musikgeschmack – noch geprägt von Rolf Zuckowski & Co. – der nun mit »echter Musik« überschrieben werden sollte. Also spulte ich nur noch dann zurück, wenn das gerade laufende Lied nicht gefiel: dann hielt ich die Aufnahme an, spulte zurück, drückte wieder auf Play usw. bis ich das Ende des letzten Songs aufspürte. Nach diesem mechanischen Prozedere lauerte ich dem nächsten Song auf. Wie einen Akkord auf dem Piano drückte ich mit einer Hand Play, Record und Pause gleichzeitig – der ultimative Lauergriff mit dem ich endlich meinen einen Song ergattern sollte.

Heureka, ich hab es!

Dann, an einem sonnigen Dienstagnachmittag nach dem Sportunterricht, war es soweit: Gerade schalte ich das Radio ein und DAS Lied läuft! Schnell den Lauergriff gedrückt und – zack! – war es auf Kassette gebannt. Ich hörte es hunderte Male hintereinander. Immer wieder spulte ich zurück und kauderwelschte aus voller Kehle mit: »Without You« von Harry Nilsson. Zur Freude aller meiner Mitbewohner hatte ich auch sehr schnell rausgefunden, wie man einen Song auf eine zweite Kassette zig Mal hintereinander aufspielen konnte. Es war ein Fest!

Mein neuer Zustand: Radio-Ga-Ga

Durch dieses aufmerksame Radiohören entdeckte ich das unermessliche Spektrum der Musikwelt – und ich begann zu sammeln, was mir gefiel. Von Oldies über moderne Musik bis hin zur Klassik. Dies ließ sich wunderbar mit meiner wohl ältesten Lieblingsbeschäftigung verbinden, dem Zeichnen. Stundenlang saß ich da, zeichnete und zeichnete – in meiner Rechten der Bleistift und mit links: der Lauergriff.
Mit der Zeit wurde ich in Schule und TV auf Lieder aufmerksam, die ich gerne auf Band gebannt hätte (immer noch kein Shazam am Start) und ich rief nun selbst beim Wunschprogramm an. Das klappte gut – ich hätte aber nicht unbedingt jeden Dienstag dort anrufen sollen. Denn nach wenigen Wochen wurden meine Musikwünsche nicht mehr erhört. Der nächste Schritt war meine Stimme zu verstellen um wenigstens noch den ein oder anderen brennenden Musikwunsch abzusetzen, an erfundene Leute gerichtet, die ich ganz lieb grüßte. Bis auch diese Wünsche nicht mehr erfüllt wurden. Damit konnte ich allerdings gut leben, denn ungefähr zeitgleich eröffnete die städtische Bibliothek ein CD-Regal. Musste nur noch ein CD-Player her – oder gar eine sogenannte Kompaktanlage (wieder geht ein Raunen durch die Generation Z). Gut, dass ich bald Kommunion feierte und mir ein solches Wunderwerk der Technik wünschen konnte.
Es hatte Radioempfang, zwei (!) Kassettendecks, CD-Player (!!), Plattenspieler und ein Paar Boxen! Und so durfte ich bald mehrere Phänomene gleichzeitig erfahren. Die Top-3-Erfahrungen des neuen HiFi-Glücks: CDs reinigen, Stereo-Sound und das ominöse Klopfen der Nachbarn.

Kompaktanlage von Schneider, 1988

Meine Schneider-Kompaktanlage von 1988!
Foto mit freundlicher Genehmigung vom Kunststoff-Museums-Verein e.V


Das Rezept für den perfekten Mix

Nach und nach wuchs meine Musiksammlung, mein Taschengeld floss in Leerkassetten und ich entdeckte die Kunst der Komposition. Die Kassetten wurden nicht mehr wahllos, in der Reihenfolge der aufgezeichneten Radiomusik, bespielt. Ich entdeckte eine neue Disziplin: Mixtapes aufnehmen (auch Compilation oder Sampler genannt). Ich nahm also Kassetten auf, bei denen die musikalische Zusammenstellung wohl bedacht war und eine bestimmten Stimmung oder einen bestimmten Zweck verfolgte:
Welche Stücke kommen für eine bestimmte Gefühlslage infrage und in welcher dramaturgischen Reihenfolge entfalten diese Stücke am besten ihre Wirkung? Ist die Kassette für jemand, der gut gelaunt, nachdenklich, verliebt ist – oder es werden soll?
Was sich kompliziert anhört war ganz einfach. Sollte die Kassette für ein Mädchen sein, das ich gerne mochte, durfte der Mix etwas verspielter und vor allem gefühlvoller sein. Oder war die Kassette für längere Autofahrten mit meiner Family? Dann besser kurzweilig, freudig beschwingt, mit einem Hauch Extravaganz – um meinem musikliebenden Vater zu imponieren.
Für meine Mixtapes gab es simple Regeln: sie fingen nie mit einem Hit an, das wäre zu profan gewesen; die Spannung wäre dahin. Also begann es mit 1-2 unbekannteren Titeln, die gut ins Ohr gehen, ein bisschen fordern (nicht zu sehr) und deren Stimmung richtungsweisend für diesen Mix sein soll. Dann kam ein Knaller – aber immer zeitlos, nie abgegriffen. Es folgten eingängige Stücke die einen farbenreichen Spannungsbogen bildeten. Wohlplatziert sorgte dann die Original-Version eines weltbekannten Covers für ein besonderes Geschmäckle. Die Krönung waren zwei Hits hintereinander – abgerundet durch einen unbekannten, starken Song für den Schluss. Das war der Ablauf, für jede Seite einer Kassette.

 

Leerjahre vs. Lehrjahre

Ende der 90er wechselte ich von Kassette auf CD und meine Musiksammlung wuchs von Neuem – diesmal auf silbrigen Scheiben und in besserer Qualität. Meine Mixtapes waren wieder überall dabei: Beim Zelten, auf Familienreisen, bei Freunden und im Musikunterricht (wenn der Lehrer unachtsam war und die Schüler sich Zugang zur lautstarken PA-Anlage verschafften).
Zwar baute ich mir inzwischen zuhause aus Sperrmüllfunden Lautsprecher zusammen aber eine »richtige« Anlage für kleinere Events fehlte mir – und zwei ordentliche CD-Player samt Mischpult noch dazu. Dieser Mangel sollte mich auch bei der ersten Berufswahl beeinflussen. Denn ich stellte mir die Frage, wie ich zum Einkaufspreis an vernünftiges DJ-Equipment kommen könnte. Das war wohl der einzige und wahre Grund für meine Ausbildung zum Radio-Fernsehtechniker. Diese Entscheidung beschied mir eine wenig erquickliche Lehrzeit – doch ein wachsendes Equipment: selbst gebaut, repariert oder günstig erstanden.
Die Berufsschule frustrierte mich, weshalb ich während des Unterrichts wieder vor mich hin zeichnete. Von meinen Kollegen und Freunden bekam ich Aufträge um Tattoos zu entwickeln, meine Kreationen per Pinsel auf Wände zu verewigen und die Cover und Plakate ihrer Bands zu gestalten. Bald leuchtete mir ein, dass ich meinen technischen Berufsweg verlassen sollte um es doch mit Grafikdesign versuchen sollte: Und es sollte gut gehen.

 

Was Musik und Design verbindet

Nach wenigen Jahren auf meinem neuen Berufsweg stellte ich zwei wichtige Dinge fest: 1) Si, das ist der richtige Beruf für mich. Und 2) beim Branding und Marketing geht es ähnlich wie beim Mixtape zu, denn es ist mit gewissen Unbekannten zu jonglieren: Wer ist das Publikum, welche geeigneten Mittel stehen zur Verfügung, mit welcher Stimmung holen wir die Leute ab und wie sollen sie sich später fühlen? Die Aufgabe ist in beiden Gebieten ähnlich: Die Aufmerksamkeit der Menschen gewinnen, sie berühren und begeistern. Dafür braucht es Einfühlungsvermögen für das Publikum und ein Händchen für die Zutaten. Kein Wunder, dass soviele bekannte DJs und Musiker:innen zuvor Grafikdesign machten – und umgekehrt.

 

Die Kunst Musik zu verweben

Meine Freude, Musik zu entdecken und wie Perlen miteinander zu verknüpfen, blieb mir erhalten. So kam es, dass ich auf Partys, Familienfeiern und in kleinen Clubs aufzulegen begann (oder besser: einzulegen, wenn wir von CDs sprechen). Als es mit dem Grafikdesign dann ernsthafter wurde und ich mich 2005 selbstständig machte, fuhr ich das DJing wieder runter und machte nur noch Mixtapes: für mich und vor allem als individuelle Geschenke für Freunde. Die Essenz meiner DJ-Sets auf die Dauer und Intensität eines Albums  zu komprimieren, war eine anspruchsvolle Herausforderung die mir gefiel.
Inspiriert von Pink Floyd, Daft Punk und Nicolas Jaar mixte ich mein erstes »Story Mixtape«. Doch es war mehr als nur eine bloße Playlist: Ich erzählte eine Geschichte – nicht im gesprochenen Sinne sondern mit Geräuschkulissen, die vorm geistigen Auge Szenen entstehen ließen. Diese kleinen Hörerlebnisse verwob ich mit Musikstücken unterschiedlichster Genres, die ein harmonisches Ganzes ergaben. So entstand 2013 mein erstes musikalisches Storytelling: das Mixtape »Schneeperlen«, in dem ich Jazz, Indie und Singer-Songwriters in eine winterliche Stimmung verpackte.

 

Geschichten erzählen, ohne Worte

Seitdem sind weitere Story Mixtapes entstanden, die unterschiedliche Stimmungswelten erschaffen. Für eine Geschichte oder ein Konzept, das mir vorschwebt, füge ich wohl gewählte Musikstücke und Soundscapes zusammen und verwebe sie zu einer hörspielhaften Szenerie. Zum Beispiel in meiner neuesten Story, die ich exklusiv für den Adventskalender vom Kraftfuttermischwerk (weltbester Blog) erstellte: In meinem »Feinachtsmix 2022« finden sich die Zuhörer an einem gemütlich knisternden Kamin wieder, die tickende Uhr gongt einmal und es erklingen ein paar wärmende Musikstücke. Plötzlich schwenkt die Musik weg, man tritt vor die Tür, stampft durch knirschenden Schnee und gelangt an ein Lagerfeuer und lauscht einem Gitarrenspiel. Der Anfang einer Reise durch eine geheimnisvolle Winternacht.

Feinachtsmix 2022

Sonniger geht es bei den »Sonntagsmuscheln« zu: Schritte durch den Regen, eine knarrende Tür wird geöffnet, man tritt hindurch und steht im Handumdrehen am Strand. Entfernt sind Möwen und ein sommerlicher Song zu vernehmen, der gemächlich anschippert und das akkustische Ruder übernimmt.

 

Stream out loud

Meine Mixtapes teile ich mit meinen Musikfreund:innen und stelle sie auf Soundcloud und Mixcloud zum Streamen zur Verfügung.
Hören Sie gerne mal rein – vielleicht finden auch Sie ein Story, die Sie anspricht und berührt.

Mich würde brennend interessieren: Welcher Mix hat Ihnen gut gefallen – und kennen Sie andere Künstler oder Konzeptalben, die Sie mir empfehlen möchten? Aber ganz besonders gern wüsste ich: Gab es ein musikalisches Kleinod, eine besondere Perle, die Sie in einem meiner Mixtapes entdecken konnten und immer und immer wieder hören müssen?

 

 



AVANTI

Neugierig geworden?
Benissimo – dann lernen wir uns doch kennen. Die Erst-Beratung ist natürlich kostenfrei, und den netten Austausch gibt’s immer dazu.

Matteo Sanfilippo
Branding Coach & Designer

 

Bitte rechnen Sie 6 plus 1.
 
Einstellungen gespeichert

Cookie-Freigabe

Hier sind Cookies im Einsatz, um diese Website und Ihre Erfahrung zu verbessern